21 Stunden durch Eis und Schnee nach Osh

21 Stunden durch Eis und Schnee nach Osh, viele Stromausfälle und ein Gasleck. Wer sooo viele Abenteuer erlebt, muss auch mal etwas mehr schreiben.

Abfahrt

Es ist Sonntag. Wir wollen heute Nachmittag mit einen Transporter die Überfahrt nach Osh wagen. Die Straße war die letzten Tage wegen der Schneemassen und Lawinengefahr geschlossen. Wir schlafen daher aus und verbringen den Vormittag im Hostel. Internet gibt es leider nicht, denn in unserem Block herrscht mal wieder Stromausfall. Um 12:30 meldet sich Zakir, unser Hostelbetreiber. Er hat eine Fahrt aufgetrieben und will gleich kommen, um uns zu erklären, wo wir den Fahrer treffen. Wir warten also wieder; die Zeit vergeht. Um 15 Uhr kommt Zakir und alles muss plötzlich ganz schnell gehen. Wir sollen zu einer Kreuzung kurz vor Manas, einer Ortschaft ca. 15 Km vor der Stadt. Die Fahrer warten schon. Schock! Draußen herrschen -15 Grad, es schneit und die stark befahrenen Straßen Bishkeks sind spiegelglatt. Fahren? Unmöglich! Schieben? Solange würden selbst die gelassensten kirgisischen Fahrer nicht warten. Doch wir haben Glück: Zuerst geht der Strom wieder an und wir können den Aufzug nutzen, um unser Gepäck aus dem 7. Stock ins Erdgeschoss zu transportieren. Dann schlägt der Faher vor, uns ein Stück entgegen zu kommen. 2,35 Km sagte das Navi. Das ist machbar. Also Gepäck aufs Rad und in die Pedale treten. Doch der Schnee peitscht durch die vereisten Nebenstraßen und nach nur einem Block höre ich einen lauten Rums hinter mir. Mellie hat auf einer Eisplatte die Kontrolle verloren, sich um 180 Grad gedreht und liegt laut fluchend neben ihrem Rad. Es ist zum Glück nichts passiert, aber nach nur 500m ist klar: Aus dem Fahren wird nichts! Wir schieben unsere Packesel also durch die dicht gedrängten Straßen des sonntäglichen Bazars. Alles läuft nun wie am Schnürchen und wir erreichen rechtzeitig unseren Transporter. Geschickt und vorsichtig verstaut Nur, der Fahrer, unsere Räder auf dem geladenen Parkett und wir nehmen auf der „Hinterbank“ platz. Diese wurde in ein Etagenbett umgebaut und uns wird die untere mit Matratzen, Kissen und Decken ausgelegte Etage zugewiesen. Fahrt ohne Aussicht

Keine Aussicht

Keine Aussicht, denn Fenster hat die untere Etage nicht. Uns ist es recht, denn das Bett ist gemütlich und in knapp zwei Stunden würde es ohnehin dunkel werden. Der Diesel rattert und der schwere Wagen schaukelt auf der tief verschneiten Straße hin und her. Der Schneefall wird nun immer dichter. Der Wagen bleibt mehrfach Stecken. Fahrer und Beifahrer müssen aussteigen und mit Schaufel und Splitt versuchen wieder von der Stelle zu kommen. Die beiden sind routiniert, aber man merkt ihnen die Anspannung deutlich an. Auf den Pässen liegt der Schnee links und rechts der Straße 4 Meter hoch und auf der Fahrbahn liegt ein halber Meter schwerer Schneematsch. Die Sicht geht im Schneetreiben gegen Null. Wir sind langsam und Nur bleibt eisern am Steuer: 21 Stunden lang. Dann erreichen wir Osh. Wir können es kaum fassen. Was für eine Leistung. Hut ab, Nur!

Osh

Schon im Wort schwingt ein Zauber für uns mit. Osh ist Seidenstrasse, auch wenn von diesen alten Zeiten leider nichts übrig geblieben ist. Wir beziehen ein Zimmer im Osh Guesthouse. Auch hier ist die Begrüßung wieder so überschwänglich und nett wie schon in Bishkek. Wieder sind wir die einzigen Gäste. Nach der langen Fahrt ist uns nicht mehr nach Sightseeing. Wir haben fast einen ganzen Tag lang gefroren und so nehmen wir uns eine Auszeit in Hostel. Die heiße Dusche, auf die wir uns am meisten gefreut haben, muss leider trotzdem auf sich waren lassen. Zuerst bricht ein Rohr und wir haben kein Wasser, dann fällt der Strom gleich mehrere Male in Folge aus. Gas!

GAS!

Doch Kirigistan im Winter ist kein Erholungsurlaub, das war uns von Anfang an klar. Nicht alles klappt hier nach Plan und ständig ist etwas defekt. Die Kirgisen bleiben trotz dieser Widrigkeiten gelassen - ja, fast schon stoisch! Es ist 23 Uhr, wir wollen Zähneputzen gehen, denn es gibt endlich wieder Strom und Wasser. Doch schon im Flur riechen wir einen unerträglichen Gasgeruch. Der Gestank kommt aus der Küche, genauer gesagt von der alten Gasuhr. Das Ventil ist zu, der Herd aus. Wir sind hilflos, aber alles andere als gelassen! Keiner vom Hostel ist diese Nacht da. Wir reißen die Fenster auf, dichten die Tür zur Küche provisorisch ab. Es ist ein unruhiger Schlaf diese Nacht. Ich steht alle paar Stunden auf und kontrolliere, ob der Geruch sich ausbreitet, aber die Maßnahmen scheinen zu wirken. Als wir am nächsten morgen das Zimmer verlassen, ist das Hostelteam wieder da. Sie haben gekocht(!) und sitzen beim Essen. Ich erkläre kurz die Ereignisse der letzen Nacht. Die Reaktion bleibt gelassen: „Es sind alte Rohre. Ich weiß auch nicht, was ich da jetzt machen soll. So ist es halt.“ Was sollen wir sagen, wir nehmen es nun kirgisisch: Dann riecht es halt ein bisschen nach Gas. C’est la vie! Dann lassen wir halt das Küchenfenster immer einen Spalt weit offen. Osh Bazar

Der erste Sonnenschein

Die Nacht war unruhig, aber der Morgen entschädigt mit dem ersten Sonnenschein seit fast einer Woche. Mit der Sonne hat sich auch die Laune der Menschen schlagartig verändert: Alle lächeln. Die Stimmung ist ansteckend. Wir schlendern über den großen Osh Bazar (ja, so heißt auch der große Bazar in Bishkek, aber wir sind nun auf dem Osh Bazar in Osh) und bestaunen das geschäftige treiben. Es ist unglaublich voll und wir können es uns kaum vorstellen, wie es hier wohl am Wochenende zugehen muss. Vom Markt biegen wir auf die Lenin Straße mit ihren Sowjet-Pachtbauten ab und besuchen den Campus der Stadt zu Füßen des gewaltigen Suleiman-Too (ein heiliger Berg inmitten der Stadt). Die Besteigung des Suleiman-Too heben wir uns für morgen auf, dann soll das Wetter noch besser sein. Zudem ist es trotz Sonnenscheins noch immer beißend kalt hier und länger als 3 Stunden im Freien führt zu leichten Erfrierungen an den Füßen. Osh ist anders. Gedrängter, kleiner und deutlich provinzieller als Bishkek. Kurzum, es gefällt uns hier! Das trifft sich, denn die chinesischen Grenzer befinden sich noch bis zum 10. Februar im Neujahresurlaub und die Grenze am Irkeshtam ist somit noch geschlossen. Genug Zeit für uns, die Stadt zu erkunden.

Galerie

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5 Comments

    • Hallo Jürgen, wir haben die 21 Stunden für knapp 700 Km gebraucht. 🙂 Viele Grüße, Melanie & Sebastian

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