Hong Kong – Eine Woche Kontrastprogramm.

Mit klopfenden Herzen geben wir unsere Pässe dem Angestellten der Visa-Agentur in Hong Kong. Langsam blättert er sie Seite für Seite durch. Sein Blick bleibt auf unserer Verlängerung aus Xining haften. Er kräuselt die Stirn und ruft seinen Kollegen zur Hilfe. „This is very difficult. We can try, but we don’t know if you will get a visa again.“

Wir zwei in Kowloon.

Ein Lächeln sehen wir nur selten...

Bam! Da ist sie also - die Schreckensnachricht, die wir so gefürchtet hatten. Versteinert treten wir auf die Straße. Die schwüle heiße Luft schlägt uns wie eine Wand ins Gesicht. Es ist laut.: Das permanente Piepsen der Ampeln, das Klacken der Rolltreppen, das Dröhnen der Doppeldecker-Busse. Dazu ein nie abreißender Strom aus Menschen, der sich seinen Weg durch die engen von Hochhäusern gesäumten Straßen bahnt. Wir nehmen die U-Bahn nach Kowloon - dem Herzen der Stadt. Von den Wänden lächeln uns elegante Models bekannter Luxus-Marken entgegen. Man trägt feine Business-Kleidung und Smartphone am Ohr. Die zahlreichen Juweliere scheinen hoch frequentiert zu sein. Es funkelt, strahlt und glitzert überall. Die Menschen jedoch wirken erschöpft. Ein Lächeln sehen wir nur selten. Ich muss an die vielen fröhlichen Menschen der letzten Monate denken. Für die meisten von ihnen wird Hong Kong für immer ein Traum bleiben. Ein alternatives Leben, das so perfekt erscheint. Wer sich ein Leben in Hong Kong leisten kann, der lebt den Traum von Millionen. Ein Lächeln sehen wir jedoch nur selten. Wie kommt es, dass diese Menschen doch scheinbar alles haben, das in unserer modernen Gesellschaft als erstrebenswert - als LEBENSwert- gilt und doch wirken sie nicht glücklich? Wollen sie und damit doch auch ein Stück weit wir selbst am Ende die falschen Dinge? Hong Kong stimmt uns sehr nachdenklich. Nicht zuletzt weil wir gerade drei Monate mit dem Fahrrad durch weite, wunderschöne Landschaften gefahren sind und dabei so viel Herzlichkeit erfahren durften, trifft uns die heftig pulsierende Metropole wie ein Schlag ins Gesicht. HongKongIsland

Regenzeit in Hong Kong

Wir steigen aus der U-Bahn aus und folgen dem Strom aus Menschen in Richtung Ausgang. Draußen nieselt es ein wenig und wir beschließen eine Abkürzung durch den Stadtpark zu nehmen. Es duftet nach warmer, feuchter Erde und die riesigen Luftwurzeln der tropischen Bäume begeistern uns. Die Frösche quaken und von den umliegenden Dächern zwitschern grün-gelbe Papageien ein Lied. Die Tropfen werden dicker. Dann ein lautes Donnern und es ist als hätte der Himmel schon die ganze Woche auf diesen Moment gewartet. Es prasselt gigantische Mengen. Anfänglich versuchen wir noch trocken zu bleiben. Doch innerhalb von Minuten sind unsere Schirme durchweicht und wir waten barfuß durch knöcheltiefe Pfützen. Wir bleiben stehen und blicken an uns herunter. Der Regen ist schön warm, wir sind ohnehin schon klatschnass und zeitgleich fangen wir an laut zu lachen. Es hat noch nie so viel Spaß gemacht im Regen spazieren zu gehen.

Buddha im Nebel

Am nächsten Tag beschließen wir dem geschäftigen Treiben der Innenstadt ein wenig zu entfliehen und nehmen die Fähre auf die Insel Lantau. Im Hafen angekommen erwartet uns ein gemütliches Fischerdorf. Zahlreiche Fischerfamilien bieten ihre frischesten Fänge, getrocknete Krabben, Muscheln und Algen an. Es duftet nach Meer. Wir schlendern durch die verwinkelten Gassen und genießen die entspannte Atmosphäre. Mit dem Bus fahren wir zur Attraktion der Insel: Dem Tian Tan Buddha. Mit seinen 34 Metern thront er im Lotus-Sitz über der Insel und verspricht Glück für all jene, die ihm einen Besuch abstatten. Langsam steigen wir die 268 Treppenstufen zu ihm empor und sind beeindruckt von seiner Größe. Der versprochene schöne Ausblick bleibt uns jedoch leider verwehrt, denn der Regen der letzten Nacht hat die Landschaft in dicken Nebel gehüllt. Zur Entschädigung gönnen wir uns verschiedene Dim Sum - Köstlichkeiten im vegetarischen Restaurant des benachbarten Klosters. LammaIsland

Ein Visum?

Auch uns schmeckt die viel-gelobte Hong Konger Küche. Doch kann sie uns nicht so sehr überzeugen wie die Sichuanesische mit ihren zahlreichen Gewürzen und feurigen Schärfe. Wir sehnen uns zurück auf das Festland Chinas - nach seinen atemberaubenden Landschaften, liebenswerten Menschen und natürlich auch unseren Fahrrädern. Die Nachricht der Visa-Agentur liegt uns wie ein Stein im Magen. Was, wenn wir nun wirklich nicht zurück können und Chinacrossing.de hier zu Ende sein soll? Der bloße Gedanke scheint uns unerträglich… Wieder wirft der Angestellte der Visa-Agentur die Stirn in Falten. Ich kann meinen Herzschlag hören. Er verschwindet, um unsere Pässe zu suchen. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. „You’re lucky!“ ruft er und hält uns unsere beiden Visa unter die Nase. Wow, wir sind so glücklich!

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8 Kommentare

  1. Sehr schön, freue mich für euch, dass die Reise weitergehen kann! Tolles Foto, Kowloon bei Nacht, ich hoffe, ihr habt auch in Hong Kong ein bischen entspannen können und wünsche euch eine spannende, sicher und gute Weiterreise!

    Robert, mittlerweile wieder in Leipzig

    • Robert, wie schön von dir zu hören! Entspannung war in Hong Kong nicht wirklich drin, aber aufregend und schön war es trotzdem. Wir hoffen deine Yangtze-Show hat ein würdiges Ende und ist jetzt fertig. 🙂 Ganz liebe Grüße, Mellie & Sebastian

  2. Ihr Lieben!

    Herzlichen Glückwunsch zum Visum 🙂 Wie aufregend! Ich verfolge fleißig euren Blog und freue mich über jeden neuen Eintrag. Bleibt Gesund und weithin gut gelaunt. Ich denke an euch. Viele Grüße aus dem frühsommerlichen Kassel 😉

    • Hallo Nici, danke für deine lieben Grüße aus Kassel! Toll, dass du ein bißchen mit uns auf die Reise gehst. Wenn wir zurück sind, dann hoffentlich mal wieder auf ein Bierchen. Liebe Grüße aus Tschinesien, Mellie & Basti

  3. Hallo ihr beiden!
    Sehr schöne Seite. Falls Ihr mal Tipps und Hilfe braucht, schreibt eine kurze Mail. Wir machen ja schon über 20 Jahre Radreisen durch China und können Euch gerne auch mit Routentipps und Tracks versorgen, falls Ihr die brauchen solltet. Herzliche Grüße, Volker
    China By Bike
    P.S. Was nutzt Ihr denn als Plugin für die Galerie?

    • Hallo Volker, was für eine nette Überraschung! Danke für deinen Kommentar. Wir freuen uns sehr, dass wir selbst dich als erfahrenen China-Radler noch begeistern können. Für Routen-Tipps wären wir tatsächlich sehr dankbar, würden uns dann aber später noch einmal per E-Mail genauer dazu melden. Ganz herzliche Grüße aus Sichuan, Melanie & Sebastian

  4. Hallo ihr beiden!
    Ihr schreibt da einfach einen sehr schönen Blog, der sich angenehm von den Egotrips der meisten Chinaradler abhebt. Vorweg schon mal ein Routentipp: Wenn Ihr vorhabt, erst einmal bis Xichang zu radeln, könntet Ihr von dort der Straße zum Lugu Hu folgen. Die Beschreibung und die Tracks gibt es in meinem Yangzi-Blog, August 20 – 28. In Eurer Fahrtrichtung sollte sich die Strecke in ca. 10 Tagen gut machen lassen, dann wärt Ihr Lijiang, könntet da die Verlängerung machen und dann der Teestraße über Shaxi, Dali, Weishan und Pu’er nach Jinghong folgen. Liebe Grüße, Volker

  5. Pingback: Mit dem Fahrrad durch China IX: Wenn das riesige Land noch größer ist | 21CHINA – Nachrichten über und aus China

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