Zurück nach Kashgar und der große Sprung nach Turpan

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Bei uns ist in den letzten Tagen so einiges schief gegangen. Die Südroute konnten und wollten wir nicht mehr weiter fahren, daher mussten wir zurück nach Kashgar. Doch nun sind wir in der schönen Oasenstadt Turpan und damit ist der Ärger der letzten Tage schon wieder vergessen.

Eine echtes Krisengebiet

Viele größere Orte im Süden Xinjiangs sehen aus wie im Bürgerkrieg: Überall Militär, Polizei, Panzersperren und Sandsackbarrieren. Männer mit Schild, Helm und Knüppel bewachen hinter Lanzenmauern Busbahnhöfe, Regierungsbehörden und Polizeistationen. Schwerbewaffnete Truppen von 9 Mann marschieren durch die Straßen. Dieser Zustand lässt dabei auch die Bewohner der Region nicht unberührt. Die Lage ist verdammt angespannt im Augenblick! Schon vom ersten Tag an wurden wir von fast jedem Polizisten angehalten, der uns gesehen hat. Wir mussten dann erklären wo wir her kommen und wo wir hin fahren. Da Ausländer in China nur in für sie lizensierten Hotels schlafen dürfen, mussten wir uns immer sicher sein, dass der Start und Zielort auch für Touristen geöffnet sind (und das kann man aber fast nie). Bis Hotan ist das theoretisch weniger ein Problem, aber der Rest der Route an der Taklamakan ist untouristisch und daher potentiell gesperrt. Bei der letzte Verhaftung mit Besuch auf der Polizeistation war der zuständige Beamte sehr deutlich: „Kommt im Sommer wieder und haltet euch ausschließlich an die touristischen Zentren und Sehenswürdigkeiten.“ Wir durften auch hier noch weiter fahren, aber wir hatten es satt ständig zu überprüfen, ob wir verfolgt werden, uns überall erklären zu müssen und permanent mit der Sorge zu leben bei der nächsten Kontrolle umkehren zu müssen oder gar eine horrende Strafe zu zahlen. Je weiter wir von Kashgar weg kamen, desto schlimmer wurde es. Kargilik, eigentlich eine nette Stadt an der Seidenstraße und im Sommer voll von Touristen, hat uns schließlich den Rest gegeben. Selbst an den Ecken des Stadtparks waren lanzenbewährte Panzersperren aufgebaut, die von je drei Soldaten mit Maschinengewehren bewacht wurden. Ein leichter Panzer mit bemannten MG fuhr um den Park seine Runden. Die Heytgah Moschee in Kargilik

Die harte Entscheidung

Die Anschläge der letzten Monate scheinen im Augenblick sehr präsent zu sein. Xinjiangs Süden war schon immer ein Unruheherd. Dass es aber inzwischen so schlimm sein würde, damit haben wir nicht gerechnet. Krisenstimmung also auch bei uns im Hotel in Kargilik: Wie soll es weitergehen? Die geplante Route würde uns noch weitere 1100 Km durch diese Region führen, wenn wir sie denn überhaupt so befahren dürften. Aber die letzten Tage haben klar gezeigt, dass das so keinen Sinn hat. Spaß macht es zumindest in den Städten keinen mehr und auch Internet ist in der Region nicht verfügbar. Für Blogger ein hartes Los. Schweren Herzens entscheiden wir uns daher umzukehren: Zurück nach Kashgar. 300 Km, die wir uns in den letzten 4 Tagen mühevoll erradelt hatten. Wir können sogar einen unserer Schlafplätze vom Bus aus sehen. Wir fühlen uns elend. So sollte es nicht laufen. Modernes Kashgar

Zurück in Kashgar

Spät abends kommen wir in Kashgar an. Die Räder haben auf der Busfahrt etwas gelitten, aber es war schwer genug sie überhaupt mitnehmen zu können und so wollen wir uns nicht beschweren. Wir kennen die Straßen und sind zügig wieder im Pamir Hostel. Etwas überrascht, aber sehr freundlich werden wir empfangen. Als wir unsere Geschichte erzählen, erhalten wir die sehr nüchterne Antwort, wir sollten es nicht persönlich nehmen, vermutlich wolle man im Moment einfach keine Touristen in dieser Region und es wäre das Beste die Provinz zügig zu verlassen. Ja, diesen Wink mit dem Zaunpfahl haben wir inzwischen verstanden. Aber nun einfach die ganze Provinz und 1.500 Km überspringen? Nein! Das geht so nicht. Wir wählen daher Turpan als Alternative. Auch Turpan befindet sich an der (nördlichen) Seidenstraße, ist aber so weit östlich gelegen, dass es außerhalb der Krisenregion ist. Zudem bleiben uns so immer noch 700 Km in Xinjiang und der Wüste Taklamakan, bevor wir in Gansu (der nächsten Provinz auf der Strecke) auf die Gobi treffen. Die zwei Tage in Kashgar gehen schnell vorbei. Wir kaufen uns Tickets und geben unsere Fahrräder als Fracht bei der chinesischen Bahn auf. Gerade letzteres stellt sich als fürchterlich zeitraubende Bürokratie heraus. Schweren Herzens übergeben wir schließlich dem Beamten unsere grob verpackten Räder und hoffen sie in Turpan wohlbehalten wieder zu sehen. Zugfahrt Kashgar Turpan

24 Stunden im Zug

Auf die Schnelle haben wir keine Tickets mehr für den Liegewagen bekommen. Wir verbringen die 24 Stunden Zugfahrt nach Turpan also sitzend. Unsere Mitreisenden scheinen überrascht uns zu sehen. Zahlreiche Augenpaare sind auf uns gerichtet. Unsere Sitznachbarn beobachten neugierig unser Hangman-Spiel, freuen sich über unsere Familienfotos und bieten uns Sonnenblumenkerne an. Woher wir denn kämen, ob wir Bruder und Schwester seien. „Oh, verheiratet!“ Ja, das sei ganz hervorragend. Zum Abendessen schlürfen wir gemeinsam unsere mitgebrachten Nudelsuppen. Allmählich wird es draußen dunkel und es wird ruhiger im Wagon. Viele der Mitreisenden richten sich ein Nachtlager auf dem Boden her. Wir haben Glück, denn einige unserer Sitznachbarn steigen in der Nacht aus und so haben wir fünf Plätze für uns. Wir schlafen unruhig, doch sind wir am nächsten Morgen erholter als wir es erwartet hätten. Emin Minarett in Turpan

Neustart in Turpan

Turpan ist eine waschechte Bilderbuch-Oase, ein grüner Punkt in Mitten der Wüste. Seit Jahrtausenden sorgt ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem mit unterirdischen Kanälen (das Karez-System) für ausreichend Wasser. Turpan liegt dabei in der Turpan-Senke und ist mit -154m Chinas tiefster Punkt und einer der tiefsten der Welt. Im Sommer ist diese Region zudem eine der heissesten und der Rekord liegt bei über 50 Grad! Das bleibt uns aber erspart, denn im Winter ist es hier sehr kalt. Auch von den Trauben, für die Turpan so berühmt ist, daher im Augenblick keine Spur. Nur die Rosinen, die in den aus Lehmziegeln gebauten Türmen (Chunchen) getrocknet werden, sind allgegenwärtig. In der Stadt angekommen, müssen wir etwas suchen, bis wir eine Unterkunft finden. Viele der Hotels haben über den Winter geschlossen; dafür bekommen wir ein Sonderangebot und einen großen Teller Turpan-Rosinen inklusive. Das Highlight der Stadt ist das Emin Minarett aus dem 18. Jahrhundert. Es liegt etwas abseits des modernen Turpans am Rande eines Altstadtviertel mit verwinkelten Gassen und Moscheen, Trockentürmen und Weinfeldern. Neben dem Minarett liegt ein weites, teilweise durch Felder unterbrochenes Ruinenfeld alter Lehmbauten. Überbleibsel von über 3000 Jahren Hochkultur unter wechselnden Herrschern. Das beste daran: Wir haben alles für uns! Kein einziger Tourist weit und breit. Wir genießen die Ruhe und verbringen den ganzen Tag hier. Seidenstrasse wie aus dem Reisekatalog!

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